Ameisenbläuling

Was macht der Schmetterling im Ameisenbau?

aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel

Einer unserer interessantesten einheimischen Schmetterlinge ist im Juli und August auch nahe Mellnau zu finden.

Es ist weniger die unauffällige grau-braune Färbung seiner Flügel als seine Lebensweise und sein ungewöhnlicher Entwicklungszyklus, der bei diesem kleinen Falter für Verblüffung sorgt. Die Rede ist vom Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous). Der deutsche Name ist zugegebenermaßen etwas sperrig, er verrät aber schon einiges über das Tierchen.

Das Leben dieses Falters ist eng verzahnt mit dem Großen Wiesenknopf, einer typischen Pflanze extensiv bewirtschafteter, nährstoffarmer Feuchtwiesen. Die dunkelroten, „knopfigen“ Blüten sind die wichtigste Nektarquelle des Falters, sie dienen ihm als Schlafplatz und auf ihnen finden Balz und Paarung statt. Die Weibchen der Schmetterlinge legen ausschließlich auf diesen Blüten ihre Eier ab.

Der Große Wiesenknopf ist die einzige Nahrungspflanze für die Raupen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings. Die sich aus den Eiern entwickelnden Räupchen fressen zunächst innerhalb der Wiesenknopf-Blüte. Nach wenigen Wochen begeben sie sich aber dann auf den Erdboden, wo sie von ganz bestimmten Ameisenarten der Gattung Myrmica  „adoptiert“ und in deren eigene Nester gebracht werden. Es handelt sich dabei überwiegend um die Rote Gartenameise (Myrmica rubra). Die Raupen des Ameisenbläulings bedienen sich dabei einer „chemischen Tarnkappe“. Durch spezielle Duftstoffe gaukeln sie den Ameisen vor, zu deren eigener Brut zu gehören. Zudem „bestechen“ die Raupen die Ameisen mit zuckerhaltigen Absonderungen. So merken die Ameisen nicht, was für einen gefährlichen Untermieter sie in ihr Nest eingeladen haben. Im Ameisennest lebt die Bläulingsraupe in den folgenden Monaten nun nicht mehr vegetarisch, sondern ernährt sich als Räuber von den Eiern und Larven der Ameisen. Dabei vertilgt sie angeblich bis zu 600 Ameisenlarven. Nach der Überwinterung im Ameisennest verpuppt sich die Raupe schließlich im Frühsommer und der Falter schlüpft wenige Wochen später. Noch bevor der frische Falter seine Flügel vollständig entfaltet hat, muss er das Ameisennest verlassen.

Für das Überleben dieses Schmetterlings sind sowohl die Wuchsbedingungen seiner Raupennahrungspflanze als auch die Lebensbedingungen der für die „Aufzucht“ der Raupen notwendigen Wirtsameise von existentieller Bedeutung.

Durch Entwässerung, Gülledüngung, intensive Beweidung oder Umbruch sind die Bestände des Großen Wiesenknopfes allerdings vielerorts deutlich rückläufig, so dass sich die Pflanze inzwischen in einigen Bundesländern auf der Roten Liste der gefährdeten Blütenpflanzen findet.

Damit sich der Ameisenbläuling in einem Wiesenknopf-Bestand entwickeln kann, kommt dem Zeitpunkt der Mahd der von der Pflanze bestandenen Fläche zudem eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Der Wiesenknopf muss zur Blüte gelangen können, die Falter benötigen genügend Zeit, um hier ihre Eier abzulegen und für die Jungraupen muss für einige Wochen ein ungestörtes Fressen innerhalb der Blütenköpfe gewährleistet sein. Will man die Entwicklungsmöglichkeiten des Ameisenbläulings nicht gefährden, verbietet sich also eine Mahd der Wiesenknopf-Bestände zwischen Mitte Juni und Mitte September. Bei der heutzutage intensiv betriebenen Landwirtschaft mit mehrmaliger Wiesenmahd im Sommer, kann dies kaum gewährleistet werden.

Durch das Befahren von Wiesen mit immer schwereren landwirtschaftlichen Maschinen und tief angesetztem Grasschnitt werden außerdem die Nester der Wirtsameisen in Mitleidenschaft gezogen. Optimale Bedingungen finden sich für den Schmetterling somit fast nur noch in Schutzgebieten oder an wenig beeinträchtigten Randstrukturen wie Grabenrändern oder Geländekanten. So ist es nicht verwunderlich, dass der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling in der Roten Liste Hessens inzwischen als „gefährdet“ (3) eingestuft wird.

Das Beispiel des Ameisenbläulings verdeutlicht eindrucksvoll, wie komplex die Beziehungen innerhalb der Natur sein können.


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