Pilze im Burgwald

Sterne, Keulen und Trompeten – von Pilzen im Burgwald

aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel

 

Öhrlinge
Öhrlinge

Herbstzeit – Pilzzeit. Der Burgwald ist weithin für seinen Reichtum an Pilzen bekannt. Im Herbst finden sich alljährlich viele Pilzliebhaber im Burgwald ein und durchkämmen seine Forste auf der Suche nach Steinpilzen, Pfifferlingen, Parasolen und anderen schmackhaften Arten. Als leckeres Pfannengericht oder als Belag auf der Pizza sind Pilze bekannt und beliebt. Doch nicht nur aus kulinarischen Gründen sind Pilze wert zu schätzen, nehmen sie doch überaus wichtige Funktionen im Naturhaushalt ein. Die Bedeutung der Pilze rückte erst in jüngerer Zeit stärker in das Interesse der Wissenschaft. Heute weiß man, dass ohne sie die Natur, so wie wir sie kennen, nicht „funktionieren“ könnte.

 

Ohne Pilze – kein Wald

 

 

Gewimperter Erdstern
Gewimperter Erdstern

In einer symbiotischen Lebensgemeinschaft ermöglichen zahlreiche Arten erst das problemlose Gedeihen vieler Bäume und krautigen Pflanzen. Als Mykorrhiza-Pilze umschließen sie mit ihrem feinen Wurzelgeflecht die Wurzeln ihrer Partnerpflanzen und unterstützen diese durch einen Stoffaustausch bei der Mineralstoff- und Wasseraufnahme. Im Gegenzug werden die Pilze mit organischen Nährstoffen versorgt. Dabei kommt es zu engen Bindungen untereinander, so dass manche Pilze z.B. nur unter oder an den entsprechenden Baumarten zu finden sind. Häufig schlagen sich diese Bindungen in den Namen der Pilze wieder, wie beim Fichten-Reizker oder beim Birkenpilz.

 

Eine weitere wichtige Aufgabe der Pilze liegt im Abbau und der Verwertung von organischen Abfallstoffen. So wird z.B. im Wald abgestorbenes Holz von ihnen abgebaut und zu wertvollem Humus recycelt. Ohne die Pilze würden wir den Wald tatsächlich vor lauter – toten – Bäumen nicht mehr sehen. Damit stellen sie dem Stoffkreislauf wichtige Nährstoffe wieder zur Verfügung.

 

Wann ist ein Pilz ein Pilz?

 

 

Hohe Röhrenkeule
Hohe Röhrenkeule

Zu den Großpilzen werden meist Arten mit einer Größe von über 5mm gezählt. Das was wir für gewöhnlich als Pilz bezeichnen, sind jedoch nur die sichtbaren, kurzlebigen Fruchtkörper, welche durch Sporen die Verbreitung der Art sicherstellen. Der eigentliche Pilz-Organismus lebt meist im Verborgenen im Boden, in der Laub- und Nadelstreu, im Holz oder in anderen organischen Materialien. Dieses „Myzel“ genannte Wurzelgeflecht kann eine enorme Ausdehnung aufweisen. In einem Waldboden in den USA wurde ein zur Gattung des Hallimasch zählendes Pilz-Myzel mit einer Flächenausdehnung von ca. 10 km² und einem geschätzten Alter von 2000 Jahren entdeckt. Es stellt den größten bisher bekannten Organismus der Erde dar.

 

Bei dem Begriff „Pilz“ wird wohl jeder zunächst an einen mehr oder minder großen, runden Hut auf einem Stiel denken. In unseren Wäldern gibt es hunderte von Arten, die diesem „Idealtypus“ entsprechen, vom winzigen Schwindling bis zum Parasol mit seinem bis zu 40cm breiten Hut.

Doch die Fruchtkörper unserer Großpilze bestehen mitnichten immer nur aus Stiel und Hut. Wer sich auf die Suche nach jenen meist weniger beachteten, „untypisch“ gestalteten Pilzen begibt, wird eine schier unüberschaubare Farben- und Formenvielfalt entdecken! Auch rings um Mellnau finden sich interessante und teilweise geradezu skurrile Arten, unter ihnen auch solche, die als Seltenheiten gelten.

 

 

Wer sucht der findet…

 

Gemeine Hundsrute
Gemeine Hundsrute

Besonders sehenswert sind die Erdsterne, die mit der Form ihrer dem Boden aufsitzenden Fruchtkörpern eher an Blumenblüten als an Sterne erinnern. Im Wattenscheider Ferienlager konnten vom Verfasser bereits vier der 14 für Hessen bekannten Erdstern-Arten festgestellt werden, darunter mit dem Halskrausen- und dem Rotbraunen Erdstern zwei in der Roten Liste aufgeführte Arten.

 

 

 

Als Rarität gilt in Hessen die Hohe Röhrenkeule, die sich bis in den Dezember hinein unter den Buchen am Mellnauer Burgberg finden lässt. Ihre bis 20cm langen, aber leicht zu übersehenden Fruchtköper, haben die Form dünner Stäbchen und erinnern eher an im Waldboden steckende Salzgebäck-Stangen.

 

Ebenfalls zu den Raritäten gehört die Gemeine Hundsrute. Wie die verwandte Stinkmorchel verströmt dieser skurrile Pilz während seiner Reifephase einen intensiven, unangenehmen Aasgeruch, der Fliegen aus einem weiten Umkreis anlockt. Die Fliegen lassen sich auf der an der Pilzspitze anhaftenden, klebrigen Sporenmasse nieder und verbreiten diese bei ihrem Weiterflug.

 

 

Vielgestaltige Holzkeule
Vielgestaltige Holzkeule

Zu den auf totem Laubholz wachsenden Arten zählt die Vielgestaltige Holzkeule. Ihre schwarz gefärbten, bis zu 8cm hohen Fruchtkörper verwachsen am Grund häufig zu kleinen Büscheln. In England wird die Art „Dead man‘s finger“ genannt, was ihr Aussehen sehr treffend beschreibt.

 

 

Koralle
Koralle

Ihrer Ähnlichkeit zu den in den Ozeanen vorkommenden Namensvettern verdanken die eleganten Korallen ihren Gattungsnamen. Rund ein Dutzend Korallen-Arten sind in Hessen bekannt, es gibt sie von weiß über gelb bis bräunlich gefärbt. Die meisten von ihnen sind nur schwer bestimmbar und die wenigsten essbar. Da sich unter ihnen auch giftige Arten wie die Bauchweh-Koralle befinden, sollte man sich beim Sammeln dieser hübschen Gewächse sehr sicher sein, welche Art man gerade vor sich hat. In diesem Jahr gedeihen die Korallen in unseren Wäldern so zahlreich und prächtig wie selten.

 

 

Ebenfalls meist schwer bestimmbar sind die Arten der Becherlinge und der nahe verwandten Öhrlinge. Mit ihren dünnwandigen, blasen- oder schüsselförmigen Fruchtkörpern erinnern sie oft an aufgeplatzte kleine Bälle. Sie sitzen meist direkt dem Waldboden auf. Auch unter ihnen gibt es nur wenige essbare Arten.

 

 

 

Herbst-Trompete
Herbst-Trompete

Nicht eben appetitlich wirkt die Herbst- oder Toten-Trompete mit ihren schwarz-grauen, lappigen Fruchtkörpern. Allerdings zählt sie bei den Pilzsammlern durchaus zu den begehrten Arten, lässt sie sich doch gut trocknen und als aromatischer Würzpilz verwenden. Zwar gilt sie in der Hessischen Roten Liste inzwischen als gefährdete Art, doch kommt sie in diesem Jahr an manchen Stellen im Burgwald geradezu in Massen auf dem Waldboden vor.

 

Auf abgestorbenem Holz finden sich die Drüslinge und die Zitterlinge. Ihre oft farbigen Fruchtkörper sitzen als geleeartige, unregelmäßige, manchmal auch hirnartig geformte Polster ihrem Untergrund auf. Die letztgenannten leben dabei als Mykoparasiten auf anderen Holz bewohnenden Pilzen.   

Unsere heimische Pilzwelt kann den aufmerksamen Beobachter immer wieder ins Staunen versetzen und bietet Einblicke in den „Ideenreichtum“ der Natur.

 

Mehr Pilze gibt es unter www.ag-burgwald.de.

Lothar Feisel

 

 

 

 


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