Die Winterlibelle

Die Winterlibelle – eine „coole“ Grazie

aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel

Insekten gelten üblicherweise als wärmeliebend. Die kalte Jahreszeit überdauern die meisten Arten im Ei- oder Larven-Stadium. Dass es unter unseren einheimischen Insekten aber auch etliche Arten gibt, die den Winter als Imago, als ausgewachsenes, „fertiges“ Insekt überstehen, dürfte nicht nur für Biologen ein alter Hut sein. Florfliegen, Marienkäfer und Wanzen lassen sich mitunter im Winter in menschlichen Wohnungen finden, in denen sie gerne ein warmes Plätzchen suchen, Tagpfauenauge und Kleiner Fuchs verbergen sich in Höhlen, Schuppen und Kellern und manch andere Krabbeltiere verkriechen sich an weniger offensichtlichen Stellen in der bodennahen Vegetation. Wenig bekannt ist allerdings, dass man mit etwas Glück im Winter sogar Libellen bei uns entdecken kann.

Die Winterlibelle - eine "coole" Grazie
Die Winterlibelle – eine „coole“ Grazie

Einzigartig

Die Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca) stellt eine Besonderheit unter unseren einheimischen Libellen dar, sie ist – nomen est omen – tatsächlich die einzige Libellenart, welche als ausgereiftes Vollinsekt überwintert.

Sie zählt zu den Kleinlibellen und mit ihrem dünnen Körper, der eine Länge von gerade einmal 4 cm misst, ist sie eine grazile Erscheinung. Ihre unauffällige graubraune Körperfärbung besitzt auf dem Rücken und der Brust eine bronzefarbene Zeichnung. Sie besiedelt vorwiegend Stillgewässer von unterschiedlicher Größe, an Fließgewässern kommt sie höchstens an sehr strömungsarmen Abschnitten vor. Die Fortpflanzungsgewässer weisen meist ausgedehnte, sich schnell erwärmende Flachwasserzonen auf, die mit einer reichhaltigen Unterwasser- und Ufervegetation versehen sind. Als wärmeliebende Art findet man sie in Hessen vorwiegend in den Niederungen.

Lebenszyklus

Eine Winterlibelle
Eine Winterlibelle

Nachdem die Larven etwa drei Monate in den Fortpflanzungsgewässern herangewachsen sind, schlüpfen die Winterlibellen im Juli und August. Schon bald nach dem Schlupf entfernen sich die noch jungen Imagines von den Gewässern und halten sich in der Folgezeit auf windgeschützten Brachflächen und Extensivwiesen oder an Waldrändern und Heckensäumen mit höheren Gras- und Staudenbeständen auf. Diese Habitate können mitunter mehrere Kilometer von den nächsten Reproduktionsgewässern entfernt liegen. Hier sitzen sie oft eng angeschmiegt an trockenen Halmen oder Ästchen und sind dabei durch ihre bräunliche Färbung bestens getarnt. Auch die kalte Winterzeit wird auf diesen Landlebensräumen verbracht. Dazu krabbeln sie in Hohlräume die z.B. unter Steinen, Rinde oder Totholzhaufen liegen, oder die Tiere sitzen an geschützten Stellen auf Sitzwarten frei in der dichten Vegetation. Schon öfter wurden dabei vollkommen mit Schnee oder Reifkristallen bedeckte Exemplare gefunden. Bei der eng mit der Gemeinen Winterlibelle verwandten, in Hessen aber fehlenden Sibirischen Winterlibelle wurde festgestellt, dass die zarten Tiere Temperaturen von – 17 Grad Celsius schadlos übersteht.

Wenn die steigenden Temperaturen ab Ende März die Winterlibellen langsam wieder aktiv werden lassen, kehren sie an die Fortpflanzungsgewässer zurück, wo sie meist als erste Art des Jahres gefunden werden kann. Erst jetzt finden auch Paarungen und Eiablagen statt, wobei die winzigen Eier in aufgeweichte, auf der Wasseroberfläche schwimmende Vegetationsreste gelegt werden.

Ein „Klimagewinner“?

Bis vor einigen Jahren galt die Gemeine Winterlibelle bundesweit als gefährdete Art, inzwischen nehmen allerdings die Bestände vielerorts zu. Auch am „Kehne-Teich“ nahe Mellnau ist die Art inzwischen heimisch. Man geht davon aus, dass die Art von den klimatischen Veränderungen, welche der Klimawandel mit sich bringt, profitieren wird. Immer mildere Temperaturen schon im Frühjahr werden die Entwicklungszeit ihrer Larven weiter verkürzen. Gegenüber anderen Arten ist sie so auch weniger bedroht durch eventuell verstärkt trockenfallende Reproduktionsgewässer. Zudem dürften mildere Winter künftig die Überlebenschancen der adulten Tiere erhöhen.

 


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