Libellen im Burgwald

Libellen im Burgwald

aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel

Große Königslibelle, schlüpfend

Mit 81 Arten in Deutschland, von denen bereits 65 Arten in Hessen nachgewiesen wurden, stellen die Libellen eine recht „überschaubare“ Insektenordnung dar. Allerdings wurden durch die intensiveren Untersuchungen in den letzten Jahren für Hessen einige außergewöhnliche Funde und Neuentdeckungen vorwiegend „südlicher“ Arten verzeichnet. Demgegenüber musste der dramatische Bestandsrückgang oder das völlige Verschwinden verschiedener anderer Arten festgestellt werden. Die hessische Insektenfauna reagiert offensichtlich bereits auf den vielzitierten, globalen Klimawandel.

Alle Libellen sind eng an Gewässer gebunden, da sich ihre Larven im Wasser entwickeln. Zwar gibt es einige anspruchslose Arten, die man an fast jedem Gartenteich finden kann, die Mehrzahl unserer Libellen ist jedoch an ganz bestimmte Lebensräume mit ganz bestimmten Eigenschaften gebunden. Ihr Vorkommen lässt somit Rückschlüsse über den Zustand, die Qualität der entsprechenden Biotope zu. Diese enge Bindung an bestimmte Lebensräume spiegelt sich auch in den Zahlen der Roten Liste Hessens wieder. Demnach gelten 35 Libellen-Arten als mehr oder minder stark gefährdet, bzw. als vom Aussterben bedroht.

Unsere Libellen lassen sich grob in Klein- und Großlibellen einteilen. Zu den Kleinlibellen zählen beispielsweise die Azurjungfern, deren Körper gerade einmal Streichholzgröße erreicht. Die blau-schwarz gezeichneten Männchen findet man bei genauerem Hinsehen häufig in der Vegetation ruhend. Auffälliger sind dagegen die Großlibellen, die im pfeilschnellen Flug über Wasserflächen jagen. Zu ihnen gehört z.B. die häufige Blaugrüne Mosaikjungfer, die man im Sommer an nahezu jedem Stillgewässer beobachten kann.

Kleine Pechlibelle

Der Körperbau der Libellen ist bestens an das Leben als Lufträuber angepasst. Der gut bewegliche Kopf wird von den großen Facettenaugen dominiert, die bei einigen Großlibellen aus jeweils bis zu 30000 Einzelaugen zusammengesetzt sein können. So entsteht ein großes Sehfeld und die Tiere sind in der Lage, andere Insekten noch aus 20m Entfernung wahrnehmen zu können. Die relativ langen Beine sind nach vorne gerichtet und mit einer Vielzahl kleiner Dornen versehen. Sie werden wie ein Käfig genutzt, aus dem es für die von der Libelle im Flug ergriffenen Beutetiere, vor allem Fliegen und Mücken, kein Entkommen gibt.

Auffälligstes Körpermerkmal sind die vier langen, paarig angeordneten Flügel, die unabhängig voneinander bewegt werden können. Mit ihnen beschleunigen Großlibellen in nur 3/10 Sek. von 0 auf 15 km/h und erreichen Spitzengeschwindigkeiten von 40 km/h. Noch eindrucksvoller ist ihre Manövrierfähigkeit – sie können auf einer Stelle in der Luft stehen und quasi in jede Richtung fliegen, selbst senkrecht aufwärts und sogar rückwärts.

In unserer Burgwald-Region lassen sich etwa 40 Libellenarten finden. Der Burgwald bietet mit seinen anmoorigen, nährstoffarmen Gewässern für eine ganze Reihe spezialisierter Arten einen wichtigen Lebensraum. Manche Arten haben hier sogar hessenweit einen ihrer Verbreitungsschwerpunkte. Allen voran ist dabei die seltene Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica) zu nennen, die in den Roten Listen für Hessen und Deutschland jeweils als „stark gefährdete“ Art geführt wird. Sie gilt als typische Moor-Libelle, die in den letzten Jahrzehnten mit dem Entwässern und Abtorfen von Moorgebieten große Teile ihrer ehemaligen Lebensräume einbüßen musste. Auch durch den Klimawandel und der damit verbundenen möglichen Austrocknung mancher Gebiete ist diese Art bedroht. Die Population der Arktischen Smaragdlibelle im Burgwald gilt als die größte in unserem Bundesland. Lediglich in den Mooren der Rhön und an einem Standort im Spessart ist diese Art darüber hinaus noch vereinzelt zu finden.

 

Gestreifte Quelljungfer

Eine weitere Rarität hat der Burgwald mit der Großen Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) zu bieten, die gut besonnte Stillgewässer im Wald besiedelt. Die Rote Liste Hessens bezeichnet diese, nach der europäischen FFH-Richtlinie streng geschützte Art, als „vom Aussterben bedroht“. 

Weitere seltene, aber im Burgwald an seinen Stillgewässern durchaus in größeren Populationen vorkommende Arten sind z.B. Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia), Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae), Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) und Kleine Binsenjungfer (Lestes virens).

Entlang der Bachläufe innerhalb des  Burgwaldes lassen sich die Männchen der schwarz-gelb gefärbten Zweigestreiften Quelljungfer (Cordulegaster boltonii) auf ihren langsamen Patrouillenflügen beobachten. Die Weibchen dieser eindrucksvollen Art erreichen eine Körperlänge von 85 mm und sind damit unsere größten Libellen. Die eng verwandte, in Deutschland als „stark gefährdet“ geltende Gestreifte Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) konnte in 2013, nach mehreren Jahren in denen die Art im Burgwald als verschollen galt, nur ca. 600 m von Mellnau entfernt vom Verfasser wiederentdeckt werden. Letztere Art ist nur an den Quellaustritten und den unmittelbar anschließenden Oberläufen von Waldbächen zu finden. Das Vorkommen der beiden Quelljungfer-Arten ist ein Indiz für die gute Wasserqualität unserer Burgwald-Bäche.

 

Gabel-Azurjungfer

Auch außerhalb des Waldes lassen sich an Naturschutz-Tümpeln und wenig genutzten Fischteichen interessante Arten finden. So wurde der an der Kehne-Eiche neu angelegte Tümpel innerhalb kurzer Zeit als attraktiver Lebensraum vor allem von mehreren, teilweise seltenen Kleinlibellenarten besiedelt. Als Pionierart tritt dort z.B. die in Hessen als „stark gefährdet“ bezeichnete Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio) auf, mit gerade 30 mm Körperlänge unsere kleinste heimische Libellenart. Auch die als „gefährdet“ geführten Arten Großes (Erythromma najas) und Kleines Granatauge (Erythromma viridulum) kommen dort vor. Letztgenannte gilt als wärmeliebende Art, die in den letzten Jahren weite Bereiche Hessens neu besiedeln konnte. 

Die derzeit feststellbare Dynamik in unserer Libellenfauna lässt sich also auch direkt vor unserer „Haustür“ beobachten. So gelang dem Verfasser im Jahr 2014 an den Mellnauer Fischteichen mit dem Fund einer Gabel-Azurjungfer (Coenagrion scitulum) der Erstnachweis dieser Art für Mittelhessen (Reg.-Bez. GI)!

Übrigens, Aussagen wie: „Sieben Stiche einer Libelle töten einen Menschen“ können getrost in die Welt der Fabeln und Märchen verwiesen werden. Libellen können gar nicht stechen! Weder besitzen sie einen Wehr-Stachel wie Bienen oder Hummeln, noch einen Gift-Stachel wie Wespen, um damit Beutetiere zu lähmen. Man kann sich der Beobachtung dieser rasanten Jäger der Lüfte also völlig „gefahrlos“ hingeben.

Weitere Infos zu heimischen Libellen unter:

www.libellen-hessen.de

www.ag-burgwald.de


Bitte beachten Sie, dass alle Texte und Fotos in der Rubrik „Natur vor der Haustür“ urheberrechtlich geschützt sind. Die Verwendung ist nur für private Zwecke gestattet!