Die Burgruine als Lebensraum
aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel
Bereits in früheren Ausgaben des Mellnauer Kuckuck wurde über die Burg als Heimstatt für verschiedene Tiere, z.B. Vögel, berichtet (siehe Artikel von M. Böttner: „Die Burg, eine Kinderstube“ in Kuckuck Heft 3/2012).
Doch nicht nur Tiere, auch etliche Pflanzen finden hier ein Refugium. Auf engem Raum bietet die Ruine mit ihrem Umfeld gleich eine ganze Reihe verschiedener „Biotoptypen“, die von jeweils daran angepassten Arten besiedelt werden.
Wo sich zwischen den Steinen Ritzen und Spalten zeigen, weisen die noch vorhandenen ausgedehnten Mauerzüge der Burg den Charakter von Trockenmauern auf. Typische Mauerbesiedler sind z.B. der gelb blühende Scharfe Mauerpfeffer, der sich mit seinen wasserspeichernden Blättern gegen Austrocknung an seinen trocken-warmen Standorten wappnet. Tatsächlich haben seine Blätter einen scharfen Geschmack, allerdings sollte man nicht zu viel von der Pflanze „naschen“, da größere Mengen ihrer Inhaltsstoffe die Schleimhäute reizen und zum Erbrechen führen.
Ebenfalls gut an den extremen Standort Trockenmauer angepasst ist die zu den Farnen zählende Mauerraute, die zeitweilige Austrocknung schadlos übersteht. Eher auf der sonnenabgewandten und weniger trockenen Mauerseite findet sich der filigrane Braunstielige Streifenfarn.
Auf den Mauerkronen ist der blau blühende Gewöhnliche Natternkopf die auffälligste Pflanze. Als ergiebige Nektarquelle üben seine zahlreichen trichterförmigen Blüten auf viele fliegende Insekten, wie Bienen, Schwebfliegen und Schmetterlinge, eine starke Anziehungskraft aus.
Durch Verfugungen im Rahmen von Instandhaltungsmaßnahmen und den Abriss bzw. Verfall alter Mauern, gehören Trockenmauern inzwischen deutschlandweit zu den stark gefährdeten Biotoptypen. Selbstverständlich müssen instabile Mauern durch geeignete Maßnahmen gesichert werden, doch wird die angeblich zerstörende Wirkung von niedrigem Pflanzenbewuchs häufig überschätzt. Es sind eher die Bäume und Sträucher, die mit ihren stärkeren Wurzeln langfristig zu Schäden an den Mauern führen können.
Am Fuße der Burgmauern finden sich teilweise steinige, flachgründige Böden. Hier fühlen sich typische Bewohner von Schutthalden und anderen Brachflächen wohl. Die hier vorkommende Nickende Distel wird bis zu einem Meter hoch. Sie bietet mit den Samen ihrer im Sommer purpurrot blühenden Blütenköpfchen noch im Winter für Singvögel eine Nahrungsquelle. In einigen Bundesländern gilt die Art als „gefährdet“ und wurde, um auf die zunehmende Verarmung der Vegetation in den dörflichen Siedlungen aufmerksam zu machen, 2008 zur Blume des Jahres gekürt.
Wesentlich unauffälliger kommt das zarte, wärmeliebende Echte Eisenkraut daher. Am Ende seiner ästigen Stängel stehen nur wenige Millimeter große rosafarbene Blüten in kleinen Ähren. Als Heilpflanze hat das Eisenkraut eine bis ins Altertum zurückreichende Tradition, heute befindet es sich in der Mehrzahl unserer Bundesländer in den Roten Listen der gefährdeten Arten.
Mit dem Vorkommen des Echten Löwenschwanzes hat unsere Burgruine eine wirkliche Besonderheit zu bieten. Die Art gilt als Vertreter der typisch dörflichen Ruderalflur, welche durch zunehmende Versiegelung von Hof- und Wegflächen im Siedlungsbereich allgemein im Rückgang begriffen ist. In Hessen, wie auch deutschlandweit, wird diese Pflanze in den Roten Listen inzwischen zu den „stark gefährdeten“ Arten gezählt. Der ebenfalls für die Pflanze gebräuchliche Name Echtes Herzgespann weist auf ihre Verwendung in der Pflanzenheilkunde hin. Ihre Inhaltsstoffe finden bei der Behandlung von Herzbeschwerden, Schilddrüsenerkrankungen, Wechseljahresbeschwerden oder auch als Beruhigungsmittel Verwendung.
Durch die in 2013 vorgenommenen Pflege- und Baumaßnahmen, welche für die im Rahmen der Feierlichkeiten zum 750-jährigen Jubiläum auf der Burg stattgefundenen Veranstaltungen durchgeführt wurden, hat unser kleines Vorkommen des Löwenschwanzes leider einigen Schaden genommen.
Vor der südlichen Ringmauer, am Aufgang zum Burgtor, befindet sich eine kleine Fläche mit Trockenrasen. Hier wächst ein ansehnlicher Bestand des im Bereich des Burgwalds eher seltener vorkommenden Feld- oder Arznei-Thymians. Als wärme- und lichtliebende Art zählt das zarte Blümchen zu den typischen Vertretern eines solchen Standorts. Vor allem von Schmetterlingen werden seine duftenden Blüten gerne besucht.
Viele der im Bereich der Burgruine wachsenden Pflanzen zählen zu den früher weit verbreiteten Arten, die in unseren Siedlungen heutzutage als „Unkraut“ angesehen und bekämpft werden. Dabei haben unverputzte Bruchstein- oder Trockenmauern, Schutthalden, Brachflächen, grasbewachsene Dorfplätze, unversiegelte „grüne“ Hof- und Wegeflächen über Jahrhunderte das Bild der Dörfer bestimmt. Ihre pflanzlichen Bewohner gehören somit zu unserer Kulturgeschichte.
Wenn wir hier nicht jedes „Unkraut“ ausmerzen, erhalten wir damit den „romantischen“ Charakter unserer Burgruine und betreiben zugleich aktiven Natur- und Artenschutz.
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