„Vielfraße“ im Fichtenforst – Borkenkäfer

„Vielfraße“ im Fichtenforst – Borkenkäfer

aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel

Kaum ein anderes Wald-Tier erfährt in den letzten Monaten so viel öffentliches Interesse wie der Borkenkäfer. Die derzeit offensichtlichen Zerstörungen in unseren Wäldern werden häufig alleine diesem Schädling zugeschrieben. Oftmals spricht man gar vereinfacht davon, DER Käfer habe die Bäume befallen. Dabei wirft man die mehr als 6500 in Deutschland vorkommenden Arten dieser Insektenordnung gleich alle zusammen in einen negativ gefärbten Topf. Dabei sind bei Leibe nicht ALLE Käfer „Schädlinge“ und genau genommen gibt es auch nicht DEN Borkenkäfer.

 

Kranke Bäume = leichte Beute

Käferlarven
Käferlarven

Denn weltweit sind rund 6000 Borkenkäfer-Arten bekannt, in Deutschland kommen immerhin 110 verschiedene Arten aus dieser Unterfamilie der Rüsselkäfer vor. Viele Arten befallen nur eine oder wenige Baumarten, andere sind bei der Wahl ihrer Wirtsbäume weniger wählerisch. Sie haben ihren Platz in jedem Waldökosystem und spielen hier eine wichtige Rolle beim Abbau und Rückführen von geschwächten und toten Bäumen in den Nährstoffkreislauf des Waldes. Als „sekundäre“ Schadinsekten besiedeln Borkenkäfer im Normalfall nur bereits vorgeschädigte Bäume. Gesunde Bäume können einen „Angriff“ durch Borkenkäfer üblicherweise mit vermehrtem Harzfluss abwehren. Entstehen durch Windwürfe, Schneebrüche, Immissionen oder Trockenheit aber großflächig günstige Entwicklungsbedingungen, können bei geeigneter Witterung von diesen Flächen Massenvermehrungen ihren Ausgang nehmen. Die Menge an Käfern kann dabei so stark zunehmen, dass sie durch ihren Massenangriff die Widerstandskraft auch von gesunden Bäumen überwinden, diese zum Absterben bringen und so zum „Primärschädling“ werden. Je stärker die Vitalität der noch nicht befallenen Bäume durch z.B. Trockenstress beeinträchtigt wird, desto leichter können sie durch die Käfer besiedelt werden. Bei anhaltend günstigen Bedingungen können sich so lawinenartig großflächige Befallsherde ausbreiten, so wie wir sie seit dem letzten Jahr auch im Burgwald sehen.

 

Viele Käfer sind der Fichten Tod

Buchdrucker-Fraßbild
Buchdrucker-Fraßbild

Dabei sind es in erster Linie die für Sturmschäden oder Trockenheit besonders anfälligen Fichten, die betroffen sind. Der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft wird derzeit vermehrt von Borkenkäfern heimgesucht, vor allem vom Großen Achtzähnigen Fichtenborkenkäfer (Ips typhographus), der besser bekannt ist unter dem Namen Buchdrucker. Er ist der wirtschaftlich bedeutendste und am meisten verbreitete Borkenkäfer in Mitteleuropa. Und das, obwohl dieser „gefährliche“ Käfer gerade einmal um die 5mm groß ist! Allerdings ist der Winzling in der Lage, in kurzer Zeit enorme Populationen hervorzubringen. So wird die Nachkommenschaft eines einzelnen Buchdrucker-Weibchens, inklusive Geschwister-Bruten, innerhalb eines Jahres auf bis zu 100.000 Tiere beziffert.

Es sind zunächst die Männchen, die sich in die Rinde einer Fichte einbohren. Durch das Ausstoßen von artspezifischen Duftstoffen (Pheromonen) werden die Weibchen angelockt. Nach der Paarung nagen die Weibchen je einen Muttergang, in den sie bis zu 50 Eier ablegen. Die nach 1 bis 2 Wochen ausschlüpfenden Larven fressen dann vom Muttergang rechtwinklig abzweigende Larvengänge. Diese befinden sich in der Bastschicht des Baumes, welche die Wasser- und Nährstoff-Versorgungsbahnen des Baumes enthält. Bei einem den Stamm umfassenden Käfer-Befall, führt die Zerstörung der Bastschicht zum Absterben des Baumes. Unter der Rinde entstehen dabei die für jede „Rindenbrüter“-Art charakteristischen Fraßbilder, das des Buchdruckers soll an ein aufgeschlagenes Buch erinnern. Eine weitere häufige Borkenkäfer-Art an Fichte ist der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus), der unter der Rinde ein sternförmiges Fraßbild erzeugt.    

 

„Gute“ Insekten gegen „böse“ Insekten

Auch Borkenkäfer haben natürliche Gegenspieler, welche die Käferpopulationen unter „normalen“ Bedingungen in Schach halten können.

Neben Krankheitserregern, Pilzen und vielen Vögeln machen sich eine große Zahl räuberischer und parasitischer Insekten über die Borkenkäfer und ihre Larven her. Darunter befinden sich Schlupfwespen, räuberische Fliegen, Kamelhalsfliegen, Florfliegen und auch etliche andere Käfer. Der farbenfrohe Ameisen-Buntkäfer (Thanasimus formicarius) z.B. stellt sowohl als Larve wie auch als voll entwickelter Käfer den Borkenkäfern und ihrer Brut nach und zählt daher bei den Förstern zu den gerne gesehenen „Nützlingen“.

 

Zukunft?

Fachleute befürchten, dass der voranschreitende Klimawandel die Borkenkäfer-Problematik weiter verschärfen wird. Neben der Schwächung der Bäume durch Trockenstress und Sturmereignisse, verbessert er die Entwicklungsbedingungen der Käfer, die sich in Form von schnelleren Generationenfolgen und höheren Überlebenschancen in milderen Wintern zeigen. Die Verantwortung für das Problem alleine bei der Forstwirtschaft und ihrem lange Zeit zu intensiv betriebenen Anbau von empfindlichen Nadelwäldern zu suchen, erscheint dabei zu einfach, schließlich wird von ihr ein Markt bedient, an dem wir als Konsumenten letztendlich alle partizipieren. Eine weitere unbequeme Wahrheit lautet vielmehr, dass jede/-r Einzelne von uns seinen Anteil zum Klimawandel beiträgt. Von dieser Erkenntnis aber lässt sich andererseits ableiten, dass auch jede/-r Einzelne etwas dagegen zu tun vermag.

 


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