Wildbienen

Wildbienen – verkannte Nützlinge

aus der Serie „Natur vor der Haustür“. Texte & Bilder (c) Lothar Feisel

 

Nach wie vor haben Insekten bei den meisten Menschen ein eher schlechtes „Image“. Alles, was krabbelt, summt und brummt, wird von vielen erst einmal mit einem gewissen Argwohn beäugt. Trotz ihrer geringen Größe, besitzen die kleinen Lebewesen für manche Zeitgenossen einen unerklärlichen Ekelfaktor und die Angst vor möglichen Stichen und Bissen, oder der Übertragung von Krankheiten durch diese ungebetenen Gäste, ist weit verbreitet. Beim Wettbewerb um das „sympathischste“ Insekt würde jedoch die Honigbiene sicherlich einen der vorderen Ränge belegen. Auch wenn schon jedes Kind weiß, dass Bienen stechen können, sieht man bei ihr über diese „Unart“ doch gnädig hinweg. Denn jedes Kind weiß auch, ohne Bienen gibt es keine Blumen, kein Obst und natürlich – keinen Honig.

Biene Majas wilde Schwestern

Allerdings ist die Honigbiene, denn an diese denkt man zumeist, wenn der Begriff „Biene“ fällt, nur eine von etwa 560 (!) in Deutschland vorkommenden Bienenarten. Zur Abgrenzung gegenüber der domestizierten Honigbiene werden alle anderen Arten üblicherweise als „Wildbienen“ bezeichnet. Zu ihnen zählen auch die allgemein bekannten und ebenso wie die Honigbiene Staaten bildenden Hummeln, mit Ausnahme der immer häufiger eigens für die Bestäubung in Gewächshäusern gezüchteten Hummelarten. Weit weniger bekannt sind die übrigen, meist unauffällig lebenden Wildbienenarten und –Gattungen, wie die Sandbienen, Pelzbienen, Blattschneiderbienen, Mauerbienen, Wollbienen, Maskenbienen, Seidenbienen um nur einige zu nennen. Anders als die Honigbiene produzieren diese zwar keinen Honig, ihr Stellenwert als wichtige Bestäuber von Wild- und Nutzpflanzen und somit als tragende Säule im Naturhaushalt wird aber allmählich erkannt und wertgeschätzt. Die Bundesartenschutzverordnung trägt ihrer Bedeutung Rechnung, indem sie alle Wildbienenarten unter besonderen Schutz stellt.

Entsprechend der ungeheuren Zahl verschiedener Arten, zeigt sich bei den Wildbienen eine immense Vielfalt an Formen, Farben und Größen. Während die kleinsten Arten mit einer Größe von 3-4mm leicht übersehen werden können, misst z.B. die stattliche Blaue Holzbiene bis zu 30mm. Viele Arten sind dicht behaart, andere wirken kahl und erinnern in Verbindung mit einer entsprechenden Färbung mitunter eher an Wespen. Generell sind allerdings viele Arten nur schwer zu bestimmen und voneinander zu unterscheiden. So vielfältig sich die Arten in ihrem Aussehen und ihrer Gestalt zeigen, so unterschiedlich sind die von ihnen besiedelten Lebensräume, ihre Vorlieben für bestimmte Nistplätze und Nistmaterialien und ihre Nahrungspflanzen.

Alle Wildbienen leben rein vegetarisch. Beim Besuch von Blütenpflanzen sammeln sie Pollen und Nektar für die Brut und letzterer dient auch als Nahrung für den Eigenbedarf der ausgewachsenen Tiere. Dabei geht die Vorliebe für bestimmte Blütenpflanzen bei einigen Arten sogar so weit, dass sie lediglich bei einer einzigen Pflanzenart Nahrung sammeln.

Fleißige Bauarbeiterinnen

Die überwiegende Mehrheit der Arten lebt solitär, d.h. der Bau der Nester und die Versorgung der Brut werden ohne die Mithilfe von Artgenossen bewältigt. Dabei sind es die Weibchen, die alleine für das Brutgeschäft zuständig sind.

Sie bauen ihre Nester in Hohlräumen, die entweder bereits vorhanden sind oder die sie selbst anlegen. Die meisten Wildbienenarten nisten in selbstgegrabenen Gängen in sandigen oder lehmigen Böden, an Böschungen und Steilwänden.

Weiden-Sandbiene

Zu ihnen gehören z.B. die Sandbienen (Gattung Andrena) mit in Deutschland alleine über 110 vorkommenden Arten. Eine Vertreterin aus dieser Gattung ist die weit verbreitete Weiden-Sandbiene (Andrena vaga), die in den sandigen Böden unserer Region an vielen Stellen, wie z.B. am Mellnauer Sportplatz, geeignete Bedingungen zum Anlegen ihrer Brutröhren findet. Am Ende der bis zu 60cm tiefen Gänge befinden sich mehrere Brutzellen, die von den Bienenweibchen mit Blütenpollen und Nektar versehen und schließlich mit einem Ei belegt werden. Die später aus dem Ei schlüpfende Larve befindet sich dann in einer eigenen „Speisekammer“, in der sie die für ihre Entwicklung zum Vollinsekt benötigte Nahrung findet. Die Weiden-Sandbiene sammelt als Nahrungsvorrat für ihre Larven ausschließlich Pollen und Nektar von blühenden Weidenbäumen und -sträuchern und kann jetzt im zeitigen Frühjahr beobachtet werden. Sie nistet gerne gesellig und bildet an geeigneten Stellen individuenstarke Kolonien.

Blattschneiderbiene

Viele Arten der Blattschneiderbienen (Gattung Megachile) sind bei der Anlage ihrer Nester weniger wählerisch und legen ihre Brutzellen in Hohlräumen unter Steinen, in Fels- und Mauerspalten, in selbstgegrabenen Gängen im Boden oder in morschem Totholz an. Die Anwesenheit von Blattschneiderbienen wird meist  durch ihre „Bautätigkeit“ verraten. Ihre linear hintereinander angeordneten Brutzellen bauen sie aus kleinen Blattstückchen, die sie aus den Blättern von Bäumen, Sträuchern oder Kräutern herausnagen. Dabei hinterlassen sie charakteristische rundliche Löcher und Ausschnitte in den Blättern.

Rote Mauerbiene

Die häufige Rote Mauerbiene (Osmia bicornis) hingegen grenzt die einzelnen Brutzellen ihres Nestes durch selbst hergestellten Mörtel voneinander ab. Aus mit einem Speichelsekret versetzter Erde bildet sie kleine Mörtelklümpchen, mit denen sie die einzelnen Zellen-Zwischenwände und den Nestverschluss zumauert. Die hübsche orange-braun behaarte Art besiedelt kleine Hohlräume aller Art und nutzt auch gerne Nisthilfen in naturnahen Gärten, wo sie bereits im März als eine der ersten Arten zu finden ist.

Besonders „gemütlich“ richten einige Arten der Wollbienen (Gattung Anthidium) ihre Kinderstuben ein. Dazu schaben die Weibchen die feinen Haare von

Wollbiene

Pflanzen wie Ziest, Königskerze, Salbei oder Quitte mit ihren Oberkiefern ab und formen aus dieser weichen Pflanzenwolle ihre Brutzellen in Hohlräumen verschiedenster Art. Mit

ihrer schwarz-gelben Färbung sieht die Garten- Wollbiene (Anthidium manicatum) auf den ersten Blick wie eine Wespe aus. Zwar sind diese Bienen alles andere als stechfreudig, führen sich aber mitunter als echte „Rabauken“ auf. Die Männchen dieser Art besetzen oft kleine Reviere, z.B. einige Blütenstände, und verteidigen diese vehement nicht nur gegen arteigene „Nebenbuhler“, sondern auch alle anderen, mitunter deutlich größere Blütenbesucher. Mit speziellen Dornen am Hinterleib werden die „Eindringlinge“ angegriffen und in die Flucht geschlagen.

Viel Feind, viel Ehr´?

Es gibt auch eine ganze Reihe von Wildbienen-Arten, die sich nicht die Mühe machen, eigene Nester zu erbauen. Diese Kuckucksbienen versuchen ihre Eier in die Nester von anderen Arten zu schmuggeln, während die „Eigentümer“ das Nest gerade unbeaufsichtigt lassen. Die darin schlüpfende Schmarotzerlarve tötet dann das Wirtsei, bzw. die Wirtslarve, und verzehrt den eigentlich für die Letztere eingebrachten Futtervorrat selbst. Zwischen solchen Futterparasiten und ihren jeweiligen Wirtsarten gibt es ausgesprochen spezifische Beziehungen. Die seltene Trauerbiene (Melecta luctuosa) bringt ihren sich parasitisch entwickelnden Nachwuchs ausschließlich in die Nester von Pelzbienen ein.

Trauerbiene

Doch nicht nur in den „eigenen Reihen“ finden sich die Gegenspieler und Feinde der Wildbienen. Dort wo Wildbienen ihre Nester anlegen, findet sich häufig eine ganze Reihe anderer Nutznießer, die meist in Form von Raub- und Futterschmarotzern oder als „Mitesser“ von ihrer Gegenwart und Bautätigkeit profitieren. An großzügig dimensionierten und gut gemachten Nisthilfen kann man im Frühjahr und Sommer einen artenreichen Mikrokosmos aus unterschiedlichen Bienen, Schlupf- und Schmalbauchwespen mit langen Legebohrern, farbenfrohen Goldwespen, schlanken Keulhornwespen, auffälligen Buntkäfern, winzigen Diebskäfern und verschiedenen parasitischen Fliegenarten beobachten. Sie alle verfolgen mit unterschiedlichen Strategien das gleiche Ziel: dem eigenen Nachwuchs die besten Entwicklungsbedingungen zu ermöglichen.

Dramatische Verluste

Unsere heimischen Wildbienen sind vom allgemein zu beobachtenden Insektenrückgang besonders stark betroffen. In der aktuellen Roten Liste der Bienen Deutschlands gelten knapp 53% der 561 aufgeführten Arten als in ihrem Bestand mehr oder minder stark gefährdet. Bereits 7% werden schon als ausgestorben oder verschollen bezeichnet und für lediglich ca. 37% der Arten lässt sich eine „ungefährdete“ Bestandssituation attestieren.

Die stärksten Gefährdungsursachen sind in der Zerstörung der spezifischen Nistmöglichkeiten und der Dezimierung des notwendigen Nahrungsangebotes zu finden. Dort wo sich noch zahlreiche Wildbienen finden, sind sie Indikatoren für eine vielfältige und intakte Kultur- und Naturlandschaft, in der der Einsatz von Pestiziden vermieden wird und eine eher kleinbäuerliche Landwirtschaft mit zahlreichen unterschiedlichen Nutzungen und Strukturen vorherrscht. Leider finden sich derlei Bedingungen immer seltener.

Hilfe ist gefragt

Zwar können Bemühungen zur Förderung der Wildbienen im privaten Umfeld die Schutzmaßnahmen in der freien Landschaft nicht ersetzen, dennoch lassen sich auch im heimischen Garten und auf dem eigenen Grundstück viele Maßnahmen umsetzen, die Wildbienen und zahlreichen weiteren Organismen zugutekommen. Bedenkt man, dass die Fläche aller Zier-, Vor- und Hausgärten in Deutschland zusammengenommen etwa der Fläche aller Naturschutzgebiete entspricht, lässt sich erahnen, welch immenses Potential sich hier für den Natur- und Artenschutz noch nutzen ließe. Dazu braucht es allerdings vielerorts den Willen zum Umdenken. Auf Grünflächen mit von Mährobotern kurz geschorenem Einheitsrasen oder in Gärten, die aus leblosen Kies- und Schotterwüsten bestehen, finden Wildbienen und andere Tiere keinen Lebensraum.

Auch bei der Gartengestaltung heißt das Zauberwort: Strukturvielfalt! Und ab und an einfach mal ein wenig mehr Wildnis wagen: blütenreiche Wildblumenwiesen statt Zierrasen, einheimische Bäume und Sträucher statt Buchsbaum- oder Thujahecken, offene Bodenstellen statt dichter Bodendecker, blühende Wildstauden und -Kräuter statt öder Koniferen, dazu Lesesteinhaufen, Totholzstapel, die eine oder andere selbstgebaute Nisthilfe sowie der konsequente Verzicht auf Chemikalien schaffen Nistmöglichkeiten und Nahrungsangebote nicht nur für Wildbienen und die Grundlage für mannigfaltige Naturbeobachtungen vor der eigenen Haustür.

Übrigens braucht man die Stiche von Wildbienen nicht zu fürchten. Alle Solitärbienen sind gegenüber dem Menschen ausgesprochen friedfertig und zeigen sich nur wenig beeindruckt, wenn man sich ihnen nähert. Um einen Stich zu provozieren, muss man den kleinen Tierchen schon sehr stark „auf den Pelz“ rücken, z. B. indem man sie in die Hand nimmt und drückt oder mit dem bloßen Fuß auf sie tritt. Ihre Stiche sind zudem wesentlich weniger schmerzhaft als die der Honigbiene oder ein „typischer“ Wespenstich. Der Stachel vieler Arten ist nicht einmal so stark, als dass er in die menschliche Haut eindringen könnte.

 


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